Inschriften gehören zu den unmittelbarsten Zeugnissen der antiken Lebenswelt. Dieses Wissen war bereits in früheren Jahrhunderten Anlass, Inschriften abzuschreiben und in Sammlungen zu edieren: Der Codex Einsidlensis aus karolingischer Zeit bietet eine erste Kompilation lateinischer Inschriften. Vor allem in der Renaissance bemühten sich Gelehrte um die Bewahrung der inschriftlichen Überlieferung. Die dabei entstandenen Sammlungen, etwa von Cola di Rienzo oder der Scaliger, genügten im Laufe der Zeit den veränderten Kriterien textkritischer Editionen jedoch nicht mehr. Zudem waren sie angesichts der wachsenden Zahl des inschriftlichen Materials schnell überholt. Auch herausragende Persönlichkeiten nachfolgender Generationen – so Gaetano Marini – konnten das umfangreiche Material nicht mehr allein bewältigen. Die Idee umfassender Corpora wurde ab dem frühen 19. Jahrhundert schließlich an verschiedenen Orten und Institutionen in Europa verfolgt. 

Nach einem langen Vorlauf bewilligte die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften im Jahr 1853 die Finanzierung des Corpus Inscriptionum Latinarum unter Leitung von Theodor Mommsen, Wilhelm Henzen und Giovanni Battista de Rossi. Eine erste Edition erschien zehn Jahre später. Bis zum Ersten Weltkrieg war der größte Teil der bekannten lateinischen Inschriften aus der Antike publiziert. Maßgeblich trug dazu das von Mommsen etablierte internationale Netzwerk an Wissenschaftlern bei.

Finanzielle Schwierigkeiten, die Isolierung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg und die politische Situation in der DDR, wo sich die Akademie nach dem Zweiten Weltkrieg wiederfand, veränderten die CIL-Arbeit nach 1945. Von nun an übernahmen Personen und Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland und im Ausland Ausführung und Finanzierung der epigraphischen Arbeit. Die Berliner Arbeitsstelle arbeitete fortan redaktionell.

Ursprünglich als selbständige Einrichtung unter dem Dach der Berliner Akademie, war das CIL von 1955 bis 1991 in verschiedene Akademie-Institute eingebunden. Nach einer Übergangsphase arbeitet das Vorhaben seit Anfang 1994 unter der Obhut der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands ging auch eine Intensivierung der vor dem Ersten Weltkrieg selbstverständlichen Zusammenarbeit mit Fachkolleginnen und Fachkollegen auf internationaler Ebene einher. Derzeit kooperiert das CIL außer mit deutschen Epigraphikerinnen und Epigraphikern mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Italien, Österreich, der Schweiz, Spanien, Portugal, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Finnland, Tschechien und Ungarn. Darüber hinaus bestehen Kontakte nach Nordafrika, in die USA, nach Kanada sowie nach Australien.

Heute liegen vom Corpus Inscriptionum Latinarum im Folio-Format 17 Bände in rund 80 Teilen mit über 200.000 Inschriften sowie Ergänzungsbände mit Tafeln, speziellen Registern und weiterführenden Untersuchungen vor. Die Edition beruht maßgeblich auf der Autopsie der Inschrift unter Berücksichtigung ihrer handschriftlichen und gedruckten Überlieferung. Die Bände enthalten außer der Lesung und historischen Einordnung der Inschriften samt der Dokumentation des inschriftlichen und archäologischen Befundes zusammenfassende Bibliographien und Informationen über die antiken Orte, in denen die Inschriften gefunden wurden, ferner umfangreiche Namens- und Sachregister sowie Karten und Pläne.

Seit Mitte der 1990er Jahre bieten die CIL-Bände Fotos und Zeichnungen zu den Inschriften. Bis dahin hatte es eine bildliche Dokumentation nur in Auswahl auf gesonderten Tafeln oder dem Band beigefügten Mikrofiches gegeben bzw. waren Zeichnungen und Fotos nur in Ausnahmen in die Textseiten integriert worden. Umschrift und Lesung des Inschriftentextes bilden heute mit einem nebenstehenden Bild ein untrennbares Ensemble. Die bildliche Dokumentation zu den im CIL edierten Inschriften ist über die Datenbank des Vorhabens open access zugänglich.

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