Geschichte des CIL

Inschriften gehören zu den wichtigsten, weil unmittelbarsten Zeugnissen der antiken Lebenswelt. Dieses Wissen war bereits in früheren Jahrhunderten Anlass, die epigraphischen Hinterlassenschaften zu sammeln und zu edieren: Aus karolingischer Zeit etwa ist im Codex Einsidlensis eine Kompilation lateinischer Inschriften erhalten. Vor allem aber in der Renaissance bemühte sich die gelehrte Welt um die Bewahrung der inschriftlichen Tradition durch die Anfertigung umfassender Corpora. Die so entstandenen Sammlungen, mit denen Namen wie Cola di Rienzo oder Scaliger verbunden sind, genügten mit der Zeit freilich den veränderten wissenschaftlichen Kriterien moderner textkritischer Editionen nicht mehr. Zudem waren sie angesichts der stets wachsenden Zahl des epigraphischen Materials bald schon überholt. Aber auch verdiente Einzelpersönlichkeiten der nachfolgenden Generationen – so Gaetano Marini – konnten das umfangreiche Material nicht mehr bewältigen. Schließlich fasste die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften 1815 den Plan, zunächst die griechischen und dann auch die lateinischen antiken Inschriften in umfassenden Sammlungen neu zu veröffentlichen.

Unter der Leitung von Theodor Mommsen wurde im Jahre 1853 das Corpus Inscriptionum Latinarum ins Leben gerufen; ein erster Band erschien zehn Jahre später. Bis zum Ersten Weltkrieg war bereits der größte Teil der damals bekannten lateinischen Inschriften aus der Antike publiziert. Diese maßgeblich von Mommsen selbst, später vor allem von seinen Schülern in Verbindung mit zahlreichen Wissenschaftlern aus den Fundländern der Inschriften erbrachte Leistung fand international große Anerkennung.

Finanzielle Schwierigkeiten, die Isolierung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg und die politische Situation in der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg beeinträchtigten die CIL-Arbeit in der Folge erheblich. Dank des hohen Ansehens, das das CIL in der Fachwelt genoß, übernahmen nach 1945 zahlreiche Forscher und Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland und im Ausland Finanzierung und Ausführung der epigraphischen Arbeit.

Ursprünglich als selbständige Einrichtung unter dem Dach der Berliner Akademie arbeitend, war das CIL von 1955 bis 1991 in verschiedene Akademie-Institute eingebunden. Nach einer Übergangsphase arbeitet das Vorhaben seit Anfang 1994 unter der Obhut der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands ging auch eine erneute Intensivierung der vor dem Ersten Weltkrieg ganz selbstverständlichen Zusammenarbeit mit Fachkolleginnen und Fachkollegen auf internationaler Ebene einher. So kooperiert das CIL derzeit außer mit deutschen Epigraphikerinnen und Epigraphikern maßgeblich mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Italien, Österreich, der Schweiz, Spanien, Portugal, Großbritannien, Frankreich, Schweden, Finnland, Tschechien und Ungarn.

Heute liegen vom Corpus Inscriptionum Latinarum im Folio-Format 17 Bände in rund 80 Teilen mit annähernd 200.000 Inschriften sowie Ergänzungsbände mit Tafeln, speziellen Registern und weiterführenden Untersuchungen vor. Die Edition beruht maßgeblich auf der Kontrolle der originalen Inschrift unter Berücksichtigung ihrer handschriftlichen und gedruckten Überlieferung. Die Bände enthalten außer der Lesung und historischen Einordnung der Inschriften samt der zugehörigen Dokumentation des epigraphischen und archäologischen Befundes zusammenfassende Bibliographien, Informationen über die antiken Orte, in denen die Inschriften gefunden wurden, ferner umfangreiche Namens- und Sachregister sowie Karten und Pläne.

Seit Mitte der 1990er Jahre bieten die CIL-Bände auch Fotos und Zeichnungen zu den Inschriften, während es eine derartige bildliche Dokumentation bis dahin nur in Auswahl auf gesonderten Tafeln oder dem Band beigefügten Mikrofiches gegeben hatte. In Ausnahmefällen waren auch schon Zeichnungen und Fotos in die Textseiten integriert worden. Umschrift und Lesung des jeweiligen Inschriftentextes bilden fortan mit den danebenstehenden Bildern ein untrennbares Ensemble. Die Benutzerinnen und Benutzer sind damit im Stande, den aktuellen Zustand der Inschrift und ihr historisches Verständnis gegeneinander abzuwägen. Die heute beim CIL zum Standard gewordene dokumentarische Präsentation erlaubt damit einen unmittelbaren, kritischen Zugang zu Text und Monument, der zu Mommsens Zeiten noch nicht möglich war.

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